Beschreibung |
Unter dem Oberbegriff der Prekarisierung lassen sich verschiedene theoretische Zugänge und mitunter hochgradig heterogene Phänomene fassen. Prekär sind Anstellungsvehältnisse genauso wie Zukunftsaussichten, Geschlechterzuschreibungen wie Aktienkurse, personale Nahbeziehungen wie social media‐Profile, mikropolitische Arrangements in Kleingrupppen wie hegemoniale Großformationen einer Gesellschaft oder politischer Einrichtungen. Es scheint nichts zu geben, von dem nicht gesagt werden könnte, es sei in der einen oder anderen Weise von Verunsicherung, Ungewissheit und Verzweideutigung betroffen und nicht in der einen oder anderen Weise abhängig von konflikthaften und umkämpften Deutungen und Auffassungen. Prekarität ist nicht nur eine wissenschaftliche Kategorie neben anderen, sondern der Punkt, an dem sich das Leben in der Spätmoderne in seinen vielfältigen Perspektiven kreuzt, überlagert und sich jeder Vereindeutigung und endgültigen Absicherung entzieht. Dass Prekärsein überall, zu jeder Zeit und bei allen angetroffen werden kann, macht es sowohl zu einem ontologischen wie auch historisch‐empirischen, methodisch wie auch gegenständlich einsetzbaren Operator. Darin liegt seine Attraktivität als zeitgenössischer Begriff: Prekarität ist, ob verdeckt oder offen, ubiquitär. Prekär wird erst, so die These, wer unter selbst ungewisse, medientechnische Bedingungen der Subjektivierung und Weltwerdung setzbar ist. Die Frage, was es heißt in einer Welt zu leben, in der Prekarität ubiquitär geworden ist, lässt sich nicht ohne ihre medial, infrastrukturell erschlossenen Präsentationsformen und Erscheinungsweisen beantworten, die sich im Feld des Ästhetischen erfahrbar niederschlagen und dieses als in sich umkämpft erscheinen lassen. Keine Grenziehung zwischen dem Medialen, dem Ästehtischen und dem Politischen, die nicht offen, kontingent und umkämpft wäre - und sich gerade in der eigenen Perspektive als bereits von anderen Perspektiven herausgefordert sieht. Auf Prekarität, so die leitende These des Seminars, lässt sich nie direkt zugreifen. Sie ist nur an Hand ihrer Effekte, Verzerrungen, Verschiebungen und Unabsehbarkeiten zu greifen. Daher bedarf es einer besonderen Aufmerksamkeit darauf, wie Prekarität dargestellt wird und zur Darstellung gelangt und zwar ohne in Verhältnisse der Repräsentation einpassbar zu sein. Denn wer oder was prekär ist, fällt gerade aus dem Rahmen dessen heraus, was lückenlos und verlustfrei re-präsentiert werden könte. Wer oder was prekär ist, befindet sich in Zwischenräumem und Zwischenzeiten, d.h. in einer Zone des Unrepräsentierbaren (und nicht des einfach noch nicht Repräsentierten). Daher ist es von besonderer Bedeutung für ein Nachdenken über das Prekäre, wie man davon Kenntnis gelangen kann und wodurch affiziert. Prekarität zeigt sich nur indirekt durch den Effekt der Preakrisierung und des Prekärwerdens. Es ist eine Operation des Machens und Gemachtwerdens. Als solche entzieht sie sich direkter Objektivierbarkeit und Repräsentierbarkeit. Stattdessen muss darauf geachtet werden, wie jemand oder etwas prekär wird oder gemacht wird. Prekarität ist eine nomadische Größe der Affizierung, der Streuung, der Dislozierung und der Störung. Sie zeigt sich in dem, was von ihr affziert, zerstreut, enträumt und gestört wird. Darin liegt ihr Bezug auf eine Ebene der Praktiken, Techniken, Medien, Operationen und Performanzen: Keine Prekarität, kein Prekärsein ohne sein Verfertigtsein, sein Vermitteltsein, sein Dargestelltsein, sein In-Szene-Gesetztsein und Aus/Verhandeltsein. Prekarität, Medialität und Ästhetik bedingen einander: Wer sich als prekär begreift, wird immer schon als prekär wahrgenommen, gewertet und als solches anerkannt. Es ist damit Zuschreibung eines Status als prekärem Status, der nicht ohne mediale und ästhetische Modi und Instanzen zustande kommt: Ich bin nur prekär, sofern ich als solches wahrgenommen und bestätigt werden. Zugleich hebt jede Prüfung und Festschreibung von etwas oder jemanden als prekär gerade Prüfbarkeit und Festschreibbarkeit von Prekarität als Als-Zuschreibung auf. Prekärsein ist nicht repräsentierbar, sondern eine Erschließungs- und Verzerrungsoperation im und des sinnlichen Sinns zugleich. Ziel des Seminar ist es, einen medienphilosophischen und medienästhetischen Begriff von Prekarität, Prekärsein, Prekarisierung und Prekariat vorzustellen und zu diskutieren, der zugleich von seiner Operativität und Darstellungsgebundenheit ausgeht. Ein solches Konzept wird anhand geeigneter Texte und Materialien erarbeitet. |