Beschreibung |
Krisen haben schon immer das Antlitz der Städte geprägt und Wendepunkte in ihren Geschichten verursacht. Die Corona-Pandemie ist ein gegenwärtiges Beispiel dafür, wie sozialer Austausch, alltägliche Mobilität und Wohnen, aber auch Verwaltungsvorgänge und demokratische Prozesse von einem Tag auf den anderen ganz anders funktionieren (müssen). Einerseits ist es auffällig, mit welcher Regelmäßigkeit krankheitsbezogene Krisen auftreten und unser Verständnis von Stadt und Planung tief prägen: Vor hundert Jahren war es die sogenannte Spanische Grippe, die dem städtebaulichen Ideal Luft, Licht und Sonne zum Durchbruch verhalf. Andererseits zeigt auch der Umgang mit der gegenwärtigen Pandemie, dass bereits bestehende Krisen wie die Klima- oder die Wohnungskrise wie unter einem Brennglas verschärft werden. Da Städte als Lebensraum zu den zentralen Schauplätzen der Veränderungen werden, muss deren Resilienz hinterfragt werden: Wer kann in Krisen mitsprechen und Lösungen mitentwickeln? Wer ist aktiv dabei, für wen wird gesprochen? Wie wirken sich die Erfahrungen mit den Einschränkungen im Zuge der Pandemiebewältigung auf die kommunalen Werkzeuge demokratischer Beteiligung aus?
Im Studienprojekt des Wintersemesters 2021/22 werden wir uns intensiv mit diesen Fragen auseinandersetzen. Dabei werden wir verschiedene Aspekte der kommunalen Beteiligung, der sozialen In- und Exklusion und des Handelns stadtgesellschaftlicher Initiativen untersuchen. Das Masterprojekt nähert sich diesen Fragen auf der Maßstabsebene des Freistaats und ausgewählter Thüringer Städte. Hier wird in verschiedenen Fallstudien herausgearbeitet, wie sich das Zusammenspiel von Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft verändert hat und welche Governance-Strukturen und Beteiligungskulturen sich in der kommunalen Krisenbewältigung als (weniger) erfolgreich herausgestellt haben. Ausgehend von der intensiven analytischen Arbeit sollen konzeptuelle Ansätze für Teilhabe-Instrumente einer resilienten und suffizienten Stadtgesellschaft skizziert werden. Dabei hilft nicht zuletzt auch der Austausch mit den Studierenden des Bachelorprojekts, die sich diesen Themen zeitgleich auf der Maßstabsebene der Stadt Weimar nähern.
Ziel der Lehrveranstaltungen ist es, einen Einblick in Themen und Methoden der sozialwissenschaftlichen Stadtforschung zu ermöglichen und eigene Erfahrungen in dieser Forschungsperspektive zu sammeln. Dazu sollen alle Phasen und Arbeitsschritte der empirischen Forschung in der Theorie und Praxis durchlaufen und praktiziert werden. Gemeinsam diskutieren wir relevante Literatur und entwickeln Forschungsfragen, die uns durch unsere Vorhaben leiten werden. Außerdem erproben wir im Feld sozialwissenschaftliche Methoden der Datenerhebung und Auswertung (wie z.B. Interviews und Kodieren), analysieren unser Material und erarbeiteten einen Bericht aus den erhobenen Daten. Die beiden Studienprojekte werden separat realisiert und zu einzelnen Zeitpunkten in den gegenseitigen Austausch gebracht. Am Ende des Semesters werden wir die Forschungsergebnisse vor lokalen Akteur*innen präsentieren. Die kombinierten Studienprojekte sind eingebettet in das BBSR-Pilotprojekt „Post-Corona-Stadt“, das im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik innovative und beispielgebende Lösungen für krisenfeste Stadt- und Quartiersstrukturen erprobt und untersucht. |