Beschreibung |
Das Seminar wird sich auf die Spuren materieller Kultur, aber auch immaterieller kultureller Praktiken, Stile und Formen in ihrer grenzüberschreitenden Zirkulation in Europa und darüber hinaus begeben. Von den ca. 30.000 Jahre alten Frauenstatuetten, die weite Wege, sogar über die Alpen oder um sie herum zurückgelegt haben müssen, über die Wanderungen und Sprünge neuer Ideen im Zeitalter der Aufklärung – die häufig mittels internationaler, mehrsprachiger Zeitschriften von Statten ging, hin zur entgrenzten Zirkulation digitaler Bilder in Echtzeit, haben diese Bewegungen und die damit einhergehende Beweglichkeit Europa in seiner Vielheit und Verbundenheit geprägt. Doch natürlich ist mit dem Transport – häufig der Verschiffung – kultureller Artefakte von einem Ort zu einem anderen in vielen Fällen ein kriegerischer und/oder kolonialer Gestus verbunden, dessen Folgen bis heute wirkmächtig sind.
Kulturwissenschaftliche Theorien und Methoden haben sich schon zumindest seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Untersuchung solcher circuits und Verbindungswege befasst: von Walter Benjamins materialistischer Geschichtsschreibung, die die Lumpen, den Abfall in ihr historisches Recht setzen will, über die Ideen des sowjetischen Avantgarde-Schriftstellers Sergeij Tretjakow zur ”Biographie des Dings”, die in jüngerer Zeit zur kulturwissenschaftlichen Methode der „Objektbiographie” ausgebaut wurde und mit der Provenienzforschung, die zunächst in Bezug auf in der Zeit des Nationalsozialismus arisierte und gestohlene Kunstwerke, heute wesentlich auch unter postkolonialen Vorzeichen von staatlich eingesetzten Kommissionen, Museen oder zivilgesellschaftlichen Initiativen durchgeführt und angestoßen wird, einen großen Anwendungsbereich gefunden hat, hin zu den vielen strukturalistischen, poststrukturalistischen, netzwerktheoretischen Modellen zu kulturellem Austausch, zum Nomadischen oder zur verteilten Handlungsmacht heterogener Aktanten/Akteure (Menschen, nicht-menschliche Lebewesen, Dinge) in Netzwerken in der Akteur-Netzwerk-Theorie. |
Literatur |
Doerte Bischoff (Hg.): Handbuch Literatur und Transnationalität, Berlin: De Gruyter 2019; Anna Schober/Brigitte Hipfl (Hg.): Wir und die anderen. Visuelle Kultur zwischen Aneignung und Ausgrenzung, Köln: Herbert von Halem Verlag 2020; Andreas Hepp u.a.: Mediale Migranten. Mediatisierung und die kommunikative Vernetzung der Diaspora, Wiesbaden: Springer VS 2011; https://www.mobiledinge.at/ |