Beschreibung |
„Fridays for Future“ hat allen den Spiegel vorgehalten. Die Entschlossenheit der Schüler*innen hat uns verdeutlicht, dass wir einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel brauchen. Mit der Pandemie und dem Ukrainekrieg rückt die Aufmerksamkeit für die Klimaerwärmung und das Artensterben in den Hintergrund. Die Trägheit der Masse, die Pragmatik des Alltags bricht alle radikalen Bestrebungen auf ein Maß für alle annehmbarer Kompromisse hinunter.
In diesem Modul wollen wir der Frage nachgehen, wie wir politisches Handeln zu einem integralen Bestandteil des entwerferischen Denken selbst machen können, welche Möglichkeiten sich innerhalb unserer Gesellschaft bieten, um mit dem spezifischen Fachwissen und den ureigenen Kompetenzen unserer Disziplinen sinnvoll in den politischen Prozess einzugreifen.
Wie können wir dabei eine Vorstellung entwickeln, die abseits der Orthodoxie des Glaubens die notwendige Kraft zum Wandel entwickelt?
Utopia als Projektion der Ideale des Humanismus hat sich zu dem Zeitpunkt verbraucht, an dem die Moderne es zum Evangelium der Neuen Zeit ernannte. Auf den fast schon ekstatischen Glauben an Fortschritt und Wissenschaft, den Neuen Menschen des Bauhauses, konnte nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch die negative Dialektik Adornos und Horkheimers folgen. Während die erste Generation der Postmoderne noch idealistisch die Väter der Moderne kritisierte, folgte mit Rem Koolhaas eine Generation, die intellektuell distanziert die Naivität jeglicher Idealisten bloßstellte. Erfrischend klar in ihren Analysen, verweigerten sie sich fast schon zynisch dem Glauben und verloren dadurch auch das Potential, gesellschaftliche Wirkung entfalten zu können. Nun befinden wir uns in einer Situation, in der wir handeln müssen.
Die momentane Planung, immer perspektivisch als Grundlage für weiteres Wachstum gedacht, reduziert sich auf eine Überlagerung funktioneller mit territorialer Logik. Der Entwurf oder eine räumlich nachhaltige Strategie unterliegen dabei immer kurzfristigen pragmatischen Überlegungen aus Politik und Wirtschaft. Um Planung weiter betreiben zu können und sich nicht auf eine reine Dienstleistung reduzieren zu lassen, brauchen unsere Disziplinen neue Strategien des politischen Handelns.
Entwerfen ist immer eine Projektion in eine bessere Zukunft. Das Prinzip Hoffnung ist eine der Grundvoraussetzungen, angetrieben von Idealen, Vorstellungen und Sehnsüchten. Unsere Frage ist: Wie können wir, ohne der Dogmatik zu verfallen, wieder politisch denken und handeln, eine neue radikale Zukunft konzipieren, ohne wieder die Freiheit und die Klarheit des Denkens zu opfern.
Die Vorlesungsreihe setzt sich intensiv mit den städtebaulichen und architektonischen Gestaltungsmöglichkeiten auseinander. Wir fragen uns, inwieweit wir die Disziplin neu definieren müssen, um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Architektur und Städtebau sind für unseren Lehrstuhl immer eine untrennbare Einheit. Wir können nicht das eine ohne das andere denken. Wenn wir uns der Frage stellen, wie wir der Erosion städtischer und architektonischer Konventionen, die der Architektur den notwendigen Bezugsrahmen entzieht, begegnen können, kommen wir nicht umhin, uns mit unserem europäischen Selbstverständnis auseinanderzusetzen. Für uns Europäer ist der öffentliche, allen freien Bürgern zugängliche Raum das konstituierende Element der Europäischen Stadt. |